Entstehung

Werk | Vita

Meine Geschichte

Ich wurde als Enkelin eines Spritfabrikanten am 9.1.1955 in Freiberg/Sa. geboren. Leider habe ich ihn, den meine Familie so prägenden Großvater nie kennengelernt, weil er in seiner  damaligen Eigenschaft als Präsident des Deutschen Spritfabrikantenverbandes in Berlin die Treppe hinunterfiel und an den Folgen einer Kopfverletzung vier Jahre vor meiner Geburt starb. Erich war eigentlich Dichter von Beruf und initiierte zur Freude seiner Sekretärin, die seine Werke vorlesen durfte, und zum Missfallen meiner Großmutter opulente Gastmähler.

Mein anderer Großvater Johannes war nur Fabrikant und ließ Babykleidung herstellen, die er weltweit verkaufte. Mein Vater war eigentlich studierter Jurist, durfte aber in der Deutschen Demokratischen Republik anders als seine Kollegen in der Bundesrepublik nicht in den Staatsdienst eintreten. Meine Mutter war Direktrice, aber eigentlich Sängerin. Meine Eltern entzogen mich, als ich drei Jahre alt war, der sozialistischen Gesellschaft durch Flucht und begründeten damit meinen Flüchtlingsstatus, ein Schicksal, das meine Biografie entscheidend prägte.

Eigentlich wurzellos wuchs ich in Ludwigshafen, ca. 2 km von Helmut Kohl entfernt, auf. Ich besuchte dort dasselbe Gymnasium wie Ernst Bloch. Als dieser berühmte  Sohn Ludwigshafens seiner Schule einen Besuch abstattete, entzog ich mich der feierlichen Veranstaltung durch Flucht in die Schulbibliothek. Als hingegen Niki de Saint Phalle direkt gegenüber meinem Gymnasium ihre Ausstellung aufbaute, gelang es mir, trotz meiner Flüchtlingsschüchternheit, von ihr ein Autogramm zu erbitten. Meine Kindheit in der DDR ist in meiner Erinnerung verdichtet in dem Schwimmen einer Kastanie in einer Wassertonne, dem beglückenden Geschenk einer Gurkenscheibe in der schachbrettgekachelten Küche durch meine Großmutter und überhaupt in meiner Großmutter, stets in Witwenkleidung, die klein und dick immer schräg über die Strassen der alten Stadt ging. Mein letztes Bild von ihr ist ihr weißes Haar am Bahnsteig, aus dem Fenster des Zuges in den Westen. Meine Kindheit in Ludwigshafen wies nichts Bemerkenswertes auf. Ich erinnere Dagmar, die mich von hinten trat, weil meine Sonnenblumen schöner gemalt waren als ihre und meinen ostpreußischen Zeichenlehrer, bei dem meine Bilder immer oben stehen blieben, mit seinem Kommentar: „Dis is ganz gutt“, während viele andere von dem kleinen Treppchen hinuntergestoßen wurden: „Dis muss wech.“

Fast startete ich eine Karriere als Musikerin - „sie hat einen Stimme wie ein Silberglöckchen“ - und ich spielte Schönbergs Opus 19 im Konservatorium in öffentlichen Konzerten am Flügel auswendig vor. Aber wegen eines Fragments von Sappho: „…wie der süßeste Apfel sich rötet und reift hoch oben am obersten Ast. Vergaßen die Pflücker ihn? Nein, sie vergaßen ihn nicht, aber sie konnten ihn nicht erreichen….“ studierte ich Altphilologie. Während meines Studiums in Mannheim verfiel ich durch krisenhafte Umstände in Nachdenken über Tine H. und begann meine inzwischen in riesenhafte Gebilde mutierten Luftwurzeln in Kunst zu verwandeln. Gedichte und Bilder vermischten sich zu pflanzenhaften Objekten.

Meine künstlerische Existenz begab sich ins Exil, während ich auf einmal nach Dortmund verschlagen, meine bürgerliche Existenz durch Unterricht sicherte. Fotografie war mir eigentlich durch das Dunkelkammertum immer verhasst, aber durch meine erste kleine Digitalkamera entdeckte ich die Schönheiten der Bearbeitung und die Herstellung eines ganz eigenen Blicks auf die Realität. Ebenso entdeckte ich den Ariadnefaden des Schreibens und begann außerdem meine Kleidung selbst herzustellen, aus Materialien, die mir das Schicksal zufällig bereit hält, ein Prozess, der mir große Befriedigung verschafft. Ich modelliere meine Kleidung als Skulptur, um mich darin zu finden und zu zeigen - als Direktrice meiner selbst.